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Offene Beziehung: Dein umfassender Leitfaden für Neugierige und Praktizierende

Lesedauer: 6 min
Was ist eine offene Beziehung? Erfahre alles über Definition, Vorteile, Nachteile, wichtige Regeln und wie du Eifersucht in offenen Beziehungen bewältigst. Dein Guide!

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Mama, Tabus-Brecherin, Silberstreifen-am-Horizont-Finderin, Mit-dem-Herzen-Zuhörerin, Autorin und vieles mehr.

Ich bin Fan von: Ehrlichkeit, Respekt, Wertschätzung, geistigem Austausch, Verbundenheit, Wachstum, Weiterentwicklung, Zuverlässigkeit, Kampfgeist, Menschen, die offen, vorurteilsfrei und begeisterungsfähig sind.

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Offene Beziehung: Dein umfassender Leitfaden für Neugierige und Praktizierende

Du spielst mit dem Gedanken einer offenen Beziehung oder bist einfach nur neugierig, was es damit auf sich hat? In unserer Gesellschaft, die traditionell auf Monogamie ausgerichtet ist, erscheint das Konzept der offenen Beziehung für viele ungewohnt. Dieser umfassende Leitfaden nimmt dich an die Hand und erklärt dir alles, was du über offene Beziehungen wissen musst: von der Definition über die potenziellen Vorteile und Herausforderungen bis hin zu praktischen Tipps für das Gelingen.

Spoiler: Offene Beziehungen sind zum Scheitern verurteilt. Oder doch nicht?

Als traumasensible Paartherapeutin habe ich in meiner Praxis noch keine Partnerschaft gesehen, in der das Konzept langfristig funktioniert hat. Das liegt aber an den Beteiligten, die blauäugig und leichtfertig ihre Beziehung öffnen. Wenn du die Beziehung nur öffnen willst, um sie zu retten, warten viele Probleme und eine Trennung auf dich. Aber fangen wir von vorne an:

Was ist eigentlich eine offene Beziehung?

Im Kern ist eine offene Beziehung eine Form der nicht-monogamen Beziehung, in der beide Hauptpartner einvernehmlich vereinbaren, sexuelle oder romantische Beziehungen zu anderen Personen außerhalb ihrer primären Partnerschaft zu führen. Der Schlüssel und die größte Stolperfalle liegt hierbei auf dem Wort einvernehmlich. In der Paarberatung zeigt sich nämlich sehr schnell, dass einer von beiden für gewöhnlich mit Bauchschmerzen zustimmt, um z.B. den anderen nicht zu verlieren. „Ich will nicht alleine sein.“ „Ich will den Kindern keine Scheidung zumuten.“ „Eigentlich ist er / sie ja nett und wir kommen im Alltag gut klar.“ „Ich hab eben kein Verlangen mehr danach, Sex mit ihm zu haben. Dann soll er sich den lieber woanders holen als dass wir die Beziehung nach so vielen Jahren beenden.“ Eine offene Beziehung ist keine Ausrede für Fremdgehen oder Untreue, da alle Beteiligten von den Vereinbarungen wissen und diesen zustimmen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass „offen“ sehr unterschiedlich aussehen kann. Die genauen Regeln und Grenzen werden von den beteiligten Partnern individuell festgelegt – oder leider eben oft nicht. Was für ein Paar funktioniert, muss nicht zwangsläufig für ein anderes gelten.

Warum entscheiden sich Paare für eine offene Beziehung?

Die Gründe für die Entscheidung, eine offene Beziehung einzugehen, sind vielfältig und oft sehr persönlich. Einige häufige Motivationen sind:

  • Unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse: Wenn ein Partner ein höheres sexuelles Verlangen hat als der andere, kann eine offene Beziehung eine Möglichkeit sein, diese Bedürfnisse außerhalb der Partnerschaft zu befriedigen, ohne den anderen zu belasten.
  • Der Wunsch nach neuen Erfahrungen: Manche Menschen verspüren ein natürliches Interesse an sexuellen oder romantischen Begegnungen mit verschiedenen Personen, ohne ihre tiefe Bindung zum Hauptpartner aufgeben zu wollen.
  • Ein Glaube an Beziehungsautonomie: Einige Paare lehnen traditionelle Besitzansprüche in Beziehungen ab und glauben, dass es möglich ist, sich tief zu lieben und gleichzeitig sexuelle Freiheit zu genießen.
  • Bewältigung spezifischer Herausforderungen: In manchen Fällen kann eine offene Beziehung als eine Art „Ventil“ dienen, um Spannungen abzubauen oder ungelöste Probleme innerhalb der Hauptbeziehung zu umgehen (obwohl dies nicht immer eine langfristig gesunde Lösung ist).

Das alles sind Gründe, die heute gesellschaftlich anerkannt werden. Aus Sicht einer Traumatherapeutin, die auch mit Paaren arbeitet, sind diese Gründe viel zu oft vorgeschoben und dienen der Verschleierung von tieferliegenden Bindungsängsten und Bindungstraumata. Anstatt sich diesen zu stellen und miteinander zu wachsen, scheint die offene Beziehung wie die einfache Lösung. In Wahrheit ist sie in solchen Fällen ein Konstrukt an Lügen gegenüber uns selbst und unseren Partnern – und damit erst Recht der Weg in die Trennung. Den Unterschied und damit die Fähigkeit zum Gelingen einer offenen Beziehung für sich selbst herauszufinden, ist oft ohne Hilfe von außen gar nicht möglich.

Die potenziellen Vorteile einer offenen Beziehung

Auch wenn das Konzept für manche befremdlich wirken mag, kann eine offene Beziehung unter den richtigen Umständen durchaus erstmal Vorteile mit sich bringen. So berichten mir immer wieder Paare von den folgenden anfänglichen Benefits:

  • Erhöhte sexuelle Zufriedenheit: Partner können ihre sexuellen Bedürfnisse und spezielle Vorlieben auf eine Weise befriedigen, die innerhalb der monogamen Beziehung vielleicht nicht möglich wäre.
  • Gestärkte Kommunikation und Ehrlichkeit: Das offene Gespräch über Wünsche, Grenzen und Gefühle kann die Kommunikation in der Hauptbeziehung intensivieren.
  • Weniger Druck auf den Hauptpartner: Niemand muss der alleinige Erfüller aller Bedürfnisse des anderen sein.
  • Möglichkeiten für persönliches Wachstum: Die Auseinandersetzung mit Eifersucht und Unsicherheit kann zu persönlicher Weiterentwicklung führen.

Jeder der genannten Vorteile entsteht auf der Basis einer liebevoll verbundenen Beziehung auf Augenhöhe. Da die meisten Paare ihre Beziehung öffnen, weil diese Augenhöhe und Verbindung verloren gegangen ist, beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Öffnen einer Beziehung ist kein Weg in die Ruhe, sondern erstmal ein Weg hinein in den persönlichen unverhersehbaren Sturm. Und genau deshalb ist es so wichtig, sich als Paar bewusst zu machen, dass diese Entscheidung immer erstmal eine Entscheidung auf Probe sein sollte.

Die Herausforderungen und Nachteile offener Beziehungen

Eine offene Beziehung ist kein einfacher Weg ohne Risiken und Herausforderungen. Es erfordert viel Reife, Ehrlichkeit und eine starke Basis des Vertrauens:

  • Eifersucht und Unsicherheit: Dies sind vielleicht die größten Hürden. Der Umgang mit den Gefühlen des Ausgeschlossenseins oder der Angst vor dem Verlust des Partners erfordert viel Selbstreflexion und offene Kommunikation. Rücksichtnahme, Zurückhaltung und Empathiefähigkeit auf beiden Seiten haben hier Vorrang.
  • Emotionale Komplikationen: Es kann schwierig sein, rein sexuelle Beziehungen von emotionalen Bindungen zu trennen. Die Entwicklung von Gefühlen für andere Partner kann die Hauptbeziehung belasten. (Mehr dazu in meinem Blogartikel: „Frauen, Sex und Dissoziation“)
  • Kommunikationsschwierigkeiten: Unehrlichkeit, mangelnde Offenheit oder das Verletzen vereinbarter Regeln können zu tiefgreifenden Konflikten führen, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig schädigen.
  • Sozialer Stigma: Offene Beziehungen sind in der Gesellschaft immer noch nicht vollständig akzeptiert, was zu Ablehnung oder Unverständnis im Freundes- und Familienkreis führen kann.
  • Zeitliche und logistische Herausforderungen: Mehrere Beziehungen zu managen erfordert Zeit, Organisation und Kompromissbereitschaft.

An dieser Stelle möchte ich den Blick und die Perspektive erweitern und kurz das Thema Kinder ansprechen. In meiner traumatherapeutischen Praxis begleite ich immer wieder Erwachsene, deren Eltern eine offene Beziehung geführt haben und die bis heute unter den Folgen dieser Kindheitserfahrung leiden. Die Beziehung zu öffnen, wenn man nicht nur Paar, sondern auch Eltern ist, verändert die Umstände deutlich und ich empfehle hier die Rücksprache mit einer traumasensiblen Paartherapeutin oder -therapeut zur reflektierten Abwägung der Folgen.

Wichtige Regeln und Richtlinien für offene Beziehungen

Damit eine offene Beziehung funktionieren kann, sind klare Regeln und Richtlinien, die von beiden Partnern gemeinsam festgelegt und respektiert werden, ein Muss. Diesen Punkt kann ich in seiner Wichtigkeit wirklich nicht genug betonen. Diese Regeln sind so individuell wie die Paare selbst, aber einige häufige Aspekte sind:

  • Offenlegung: Wie viel Information wird über die Kontakte außerhalb der Beziehung geteilt? Gibt es eine „Frag nicht, sag nichts“-Regel oder volle Transparenz?
  • Sicherheit: Vereinbarungen bezüglich Safer Sex und regelmäßiger Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten sind unerlässlich.
  • Emotionale Grenzen: Dürfen sich tiefe emotionale Bindungen zu anderen entwickeln? Gibt es Tabus bezüglich bestimmter Handlungen oder Personen?
  • Zeit und Energie: Wie viel Zeit und Energie darf in andere Beziehungen investiert werden? Darf dies die Hauptbeziehung beeinträchtigen?
  • Ort und Umstände: Gibt es Orte oder Situationen, in denen Kontakte zu anderen vermieden werden sollen (z.B. gemeinsame Freunde, Familienfeiern)?

Der Schlüssel ist, dass diese Regeln nicht statisch sind, sondern regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden sollten. Vielen Paaren hilft es, diese Regeln außerdem schriftlich festzuhalten. Ehrlichkeit und die Bereitschaft, aufeinander einzugehen, sind dabei unerlässlich.

Kommunikation ist der Schlüssel: So funktioniert offene Beziehung

Ohne offene, ehrliche und respektvolle Kommunikation kann eine offene Beziehung kaum funktionieren. Es ist wichtig, regelmäßig über deine Gefühle, Ängste, Wünsche und Erfahrungen zu sprechen. Nimm dir bewusst Zeit für Gespräche, in denen ihr euch austauscht und sicherstellt, dass sich beide Partner wohl und gehört fühlen.

Sei bereit, zuzuhören, auch wenn es unangenehm ist. Versuche, die Perspektive deines Partners zu verstehen und deine eigenen Bedürfnisse klar zu kommunizieren. Konflikte sind in jeder Beziehung normal, aber in einer offenen Beziehung ist es besonders wichtig, diese konstruktiv anzugehen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Umgang mit Eifersucht in offenen Beziehungen

Eifersucht ist ein menschliches Gefühl und kann auch in offenen Beziehungen auftreten. Es ist wichtig, dieses Gefühl anzuerkennen und nicht zu unterdrücken. Versuche, die Ursachen deiner Eifersucht zu verstehen: Fühlst du dich vernachlässigt? Hast du Angst, ersetzt zu werden? Fehlt es dir an Bestätigung?

Sprich offen mit deinem Partner über deine Gefühle. Gemeinsam könnt ihr Strategien entwickeln, um mit Eifersucht umzugehen. Das kann bedeuten, Regeln anzupassen, mehr Zeit miteinander zu verbringen oder sich gegenseitig mehr Wertschätzung zu zeigen. Manchmal kann auch professionelle Hilfe in Form einer Paartherapie sinnvoll sein.

Offene Beziehung vs. Polyamorie: Was ist der Unterschied?

Oft werden die Begriffe „offene Beziehung“ und „Polyamorie“ synonym verwendet, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied. Während sich eine offene Beziehung in der Regel auf sexuelle Beziehungen außerhalb der Hauptpartnerschaft konzentriert, beinhaltet Polyamorie die Möglichkeit, mehrere liebevolle und intime Beziehungen gleichzeitig zu führen. In polyamoren Beziehungen können also auch emotionale und romantische Bindungen zu mehreren Personen bestehen.

Es gibt jedoch auch Überschneidungen und fließende Übergänge. Manche offene Beziehungen entwickeln sich im Laufe der Zeit in Richtung Polyamorie, während andere Paare bewusst sexuelle Offenheit praktizieren, ohne tiefe emotionale Beziehungen zu anderen einzugehen.

Der Start in eine offene Beziehung: Worauf du achten solltest

Wenn du und dein Partner über den Einstieg in eine offene Beziehung nachdenkt, solltet ihr euch gründlich vorbereiten:

  • Ehrliche Selbstreflexion: Bist du wirklich bereit für diese Art von Beziehung? Was sind deine Motive und Erwartungen?
  • Offene Gespräche: Sprecht ausführlich über eure Wünsche, Ängste und Grenzen. Stellt sicher, dass ihr beide auf derselben Seite steht und euch wohlfühlt.
  • Gemeinsame Regeln festlegen: Nehmt euch Zeit, um klare und detaillierte Regeln zu definieren, die für euch beide passen.
  • Langsam angehen: Ihr müsst nicht sofort in die Vollen gehen. Tastet euch vorsichtig heran und gebt euch Zeit, euch an die neue Situation zu gewöhnen.
  • Professionelle Hilfe in Betracht ziehen: Eine Paartherapie kann helfen, die Kommunikation zu verbessern und mögliche Konflikte zu bewältigen.

Können offene Beziehungen langfristig funktionieren?

Ja, offene Beziehungen können langfristig funktionieren, aber es erfordert viel Arbeit, Engagement und eine starke Basis des Vertrauens und der Liebe. Paare, die erfolgreich offene Beziehungen führen, zeichnen sich oft durch eine außergewöhnlich gute Kommunikation, viel Empathie und die Fähigkeit aus, sich immer wieder an veränderte Bedürfnisse anzupassen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine offene Beziehung keine „Reparaturmaßnahme“ für eine dysfunktionale Beziehung ist. Sie kann nur funktionieren, wenn die Hauptpartnerschaft bereits stabil und liebevoll ist.

Fazit: Offene Beziehungen sind nicht für jeden

Die offene Beziehung ist ein Beziehungsmodell, das für manche Paare eine erfüllende Alternative zur traditionellen Monogamie darstellen kann. Sie bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen und neue Erfahrungen zu sammeln, birgt aber auch erhebliche Herausforderungen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in offener Kommunikation, klaren Regeln, gegenseitigem Respekt und der Bereitschaft, sich mit den eigenen Gefühlen und denen des Partners auseinanderzusetzen. Bevor du dich für diesen Weg entscheidest, ist es wichtig, ehrlich zu dir selbst und zu deinem Partner zu sein und die potenziellen Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. Denn am Ende zählt, dass du und dein Partner in eurer Beziehung glücklich seid – egal welches Modell ihr wählt.

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